Herbstgedichte

Inhaltsübersicht

Der Herbst verzaubert uns Menschen mit seinen bunten Farben. Allerdings empfinden viele auch etwas Wehmut dabei, weil der schöne Sommer vergangen ist und wir nun auf die dunkle, kalte Jahreszeit zugehen. Es gibt aber auch etwas sehr Positives. Wir bekommen dafür auch immer mehr Stunden, in denen wir den Nachthimmel bewundern können – denn gerade in den Herbst-/Wintermonaten ist es in kristallklaren, kalten Nächsten besonders schön anzusehen – wie die Sterne am Himmelszelt schön funkeln…Der nächtliche Sternenhimmel begeistert schon seit je her die Menschheit.

Nach den warmen, schönen Sommertagen steht nun der Herbst vor der Tür. Bunte Blätter, Kastanien zum Basteln und frische Herbst-Äpfel… Als Herbstapfel – wie der Cox Orange – bezeichnet man die zwischen September und Oktober pflückreifen Apfelsorten, die je nach Sorte sofort verzehrt werden können. Die schöne, dritte Jahreszeit hat nun begonnen. Geprägt von warmen Farben, kunterbunten Blättern und frischer, klarer Luft stimmen die folgenden Gedichte und Sprüche bekannter und unbekannter Dichter auf die besinnliche Zeit ein… untermalt wird – hier im Blog – alles mit herbstlichen Bild-Impressionen.


Alle Gedichte sind nummeriert – zum schnelleren Auffinden (durch Anklicken des roten Titels) des hier jeweils angegebenen Lieblingsdichters:

WIE SCHÖN:
Nun ist der Herbst bei uns mit bunten Blättern, Kastanien zum Basteln und seinen frischen Äpfel eingezogen… die dritte Jahreszeit hat begonnen. Geprägt von warmen Farben, kunterbuntem Blattwerk und frischer, klarer Luft – stimmen Gedichte und Sprüche bekannter und unbekannter Dichter uns auf die wunderbare herbstliche Jahreszeit ein… Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken oft rapide. Was für manche ein Grund zum Trauern ist, ist für mich Balsam für die Seele… Spaziergänge durch schön buntes, raschelndes Herbstlaub und endlich einmal wieder Zeit für Bücher und gemütliches Kuscheln auf dem Sofa… Endlich ist wieder Kürbiszeit – Soul Food… Wie schön diese späten Herbsttage sind, wird hier – in der Auswahl der schönsten Herbstgedichten von bekannten Autoren – nochmals „dichterisch“ deutlich.

Und los geht’s in den bunten Blätterwald! Richtig Spaß macht es, mit großen Schritten durch das raschelnde Laub zu stapfen, das auch bei stürmischem Wetter herrlich bunt und wild durch die Luft wirbelt…


01.

Blätterfall

Der Herbstwald raschelt um mich her…
Ein unabsehbar Blättermeer
entperlt dem Netz der Zweige.
Du aber, dessen schweres Herz
mit klagen will den großen Schmerz
sei stark, sei stark und schweige!

Du lerne lächeln, wenn das Laub,
dem leichten Wind ein leichter Raub,
hinabschwankt und verschwindet.
Du weißt, dass just Vergänglichkeit
das Schwert, womit der Geist der Zeit
sich selber überwindet.

Gedicht: © Christian Morgenstern (1871-1914) war ein deutscher Dichter,
Literat, Dramaturg, Journalist und Übersetzer. Bekannt wurde er vor
allem durch seine oft groteske, humorvolle Lyrik.

02.

O trübe diese Tage nicht

O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.

Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man’s nicht mehr erhoffen mag,
Dass so die Stunde wiederkehrt.

Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;

Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz –
O sorge, dass uns keine fehlt,
Und gönn‘ uns jede Stunde ganz.

Gedicht: © Theodor Fontane (1819-1898) war ein deutscher Schriftsteller,
Journalist und Kritiker. Er zählt zu den wichtigen Vertretern des Realismus. 

03.

Septembermorgen

Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen. 

Gedicht: © Eduard Möricke (1804-1875) gilt als einer der bedeutendsten
Lyriker zwischen Romantik und Realismus. 

04.

Herbst

Nun stehen die Tage grau, lässig, still,
weil es herbsten will.
Der Sommer wird arm.
Doch ich trage junge Violen im Haar
und Maienstrahlen eine goldhelle Schar
und die Sonne im Arm.

Gedicht: © Max Dauthendey (1867-1918)
Er war ein deutscher Dichter und Maler (Impressionist)

05.

Das ist der Herbst

Das ist der Herbst; die Blätter fliegen,
Durch nackte Zweige fährt der Wind;
Es schwankt das Schiff, die Segel schwellen
Leb wohl, du reizend Schifferkind!

Sie schaute mit den klaren Augen
Vom Bord des Schiffes unverwandt,
Und Grüße einer fremden Sprache
Schickte sie wieder und wieder ans Land.

Am Ufer standen wir und hielten
Den Segler mit den Augen fest –
Das ist der Herbst! wo alles Leben
Und alle Schönheit uns verlässt.

Gedicht: © Theodor Storm (1817-1888): Aus Husum („die graue Stadt am grauen Meer“)
in der Landschaft Dithmarschen (Holstein, damals dänisch) stammte der Sohn
eines Advokaten. Theodor Storm war ein bekannter Lyriker und Novellist im

Deutschland des 19. Jahrhunderts. 

06.

Ende des Herbstes

Ich sehe seit einer Zeit,
wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
und tötet und tut Leid.

Von Mal zu Mal sind all
die Gärten nicht mehr dieselben;
von den gilbenden zu der gelben
langsamem Verfall:
wie war der Weg mir weit.

Jetzt bin ich bei den leeren
und schaue durch alle Alleen.
Fast bis zu den fernen Meeren
kann ich den ernsten schweren
verwehrenden Himmel sehn.

Gedicht: © Rainer Maria Rilke (1875-1926) war ein österreichischer
Lyriker deutscher und französischer Sprache sowie ein bekannter
Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts.

07.

Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält;
denn heute löst sich von den Zweigen nur,
was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.

Gedicht: © Friedrich Hebbel (1813 – 1863) war ein deutscher
Dramatiker und Lyriker, der am Ende seines Lebens der
meistgespielte Bühnenautor seiner Zeit war.

08.

Herbst

Wenn ich an einem schönen Tag
Der Mittagsstunde habe acht,
Und lehne unter meinem Baum
So mitten in der Trauben Pracht.

Wenn die Zeitlose übers Tal
Den amethyst`nen Teppich webt,
Auf dem der letzte Schmetterling
So schillernd wie der frühste bebt.

Dann denk‘ ich wenig drüber nach,
Wie’s nun verkümmert Tag für Tag,
Und kann mit halbverschlossnem Blick
Vom Lenze träumen und von Glück.

Du mit dem frischgefall`nen Schnee,
Du tust mir in den Augen weh!
Willst uns den Winter schon bereiten:
Von Schlucht zu Schlucht sieht man ihn gleiten,

Und bald, bald wälzt er sich herab
Von dir, o Säntis! ödes Grab.

Gedicht: © Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) war eine deutsche
Schriftstellerin und Komponistin und gilt bis heute als eine der größten
deutschen Dichterinnen.

09.

Herbstgedicht

Der Nebel steigt, es fällt das Laub.
Schenk ein, den Wein, den holden.
Wir wollen uns den grauen Tag vergolden,
ja vergolden!
Und wimmert auch einmal das Herz, 
stoß an uns lass es klingen!
Wir wissen’s doch, ein rechtes Herz
ist gar nicht umzubringen.
Wohl ist es Herbst, doch warte nur,
doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
es steht die Welt in Veilchen.

Gedicht: © Theodor Storm (1817-1888) ist vor allem mit seiner Lyrik, Prosa und Novellen
bekannt geworden. Er gehört er zu den bedeutendsten Vertretern des Poetischen Realismus

10.

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Gedicht: © Rainer Maria Rilke (1875-1926) war einer der
bekanntesten Lyriker deutscher Sprache.

11.

Herbstabend

Herbstabende voll weicher Helligkeit
mit ihrem rührend rätselhaften Zauber…
Ein alter Glanz, der Bäume buntes Kleid,
purpurner Blätter matt und leicht Geplauder;
Die Bläue ist so neblig, still und kühl,
worunter die verwaiste Erde trauert
und – wie der nahen Stürme Vorgefühl,
bisweil ein Windstoß jäh, der uns durchschauert;
Erschöpfung, Niedergang, doch überall.
Das Lächeln sanft des Welkens und des Scheidens,
das wir in des Verstandes Widerhall
erkannt als die erhabne Schau des Leidens.

Gedicht: © Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew (1803-873) gilt als einer der größten
Lyriker der russischen Literatur. Er stammte aus einem alten Adelsgeschlecht.
Er lebte als Diplomat in Turin und München, wo er Heinrich Heine kennen lernte
.

12.

Herbstliche Liebe

Meine Seele spinnt dich ein;
schimmernde Marienfäden
sollen ihre Häscher sein.
Ihre Schlingen fühlst du kaum.
Eine rote Märtyrkrone
brech` ich dir vom Eschenbaum.
Deine Stirne küss ich bleich –
und so führ ich dich gefangen
mitten durch mein Schattenreich.
Du wirst ganz mein eigen sein,
wirst verbluten und verblühen –
meine Seele spinnt dich ein.

Gedicht: © Clara Müller-Jahnke (1861-1905) war eine deutsche Dichterin,
Journalistin und Frauenrechtlerin. 

13.

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluss hinunter,
wie schön sich Bild an Bildchen reiht.
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Gedicht: © Georg Trakl (1887-1914) war ein österreichischer Dichter des Expressionismus mit starken
Einflüssen des Symbolismus. Er gilt heute als einer der außergewöhnlichsten österreichischen Lyriker. 

14.

Herbsttag

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein,
gib Ihnen noch zwei südlichere Tage
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr,
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird auf den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Gedicht: © Rainer Maria Rilke (1875-1926) war ein österreichischer
Lyriker deutscher und französischer Sprache sowie ein bekannter
Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts.

15.

Träume nur, Seele

In den verdämmernden Herbsttag hinein
zauberst du lachenden Sonnenschein
und aus der Blätter vergilbendem Flor
blühen dir duftige Veilchen empor,
träumende Seele.
Tönt denn der Glocken dumpfhallender Klang
dir wie ein schmetternder Lerchengesang?
Siehst du der Erde verweintes Gesicht,
fühlst du die eisigen Nebel denn nicht,
träumende Seele? –
Träume nur, träume … der Frühling ist weit;
Rosen hat’s nimmer im Winter geschneit
dumpf nur und klagend, verweht vom Nordwest,
läuten die Glocken zum Totenfest. Träume nur, Seele.

Gedicht: © Clara Müller-Jahnke (1861-1905) war eine deutsche Dichterin,
Journalistin und Frauenrechtlerin. 

16.

Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.
Von hinnen geht die stille Reise,
die Zeit der Liebe ist verklungen,
die Vögel haben ausgesungen
und dürre Blätter sinken leise.
Die Vögel zogen nach dem Süden,
aus dem Verfall des Laubes tauchen
die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen.
Die Blätter fallen stets, die müden,
in dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir als hör‘ ich Kunde wehen
dass alles Sterben und Vergehen
nur heimlich still vergnügtes Tauschen.

Gedicht: © Lenau, Nikolaus (1802-1850) war ein bekannter österreichischer spätromantischer Schriftsteller.

17.

Äpfellese

Das ist ein reicher Segen
In Gärten und an Wegen!
Die Bäume brechen fast.
Wie voll doch Alles hanget!
Wie lieblich schwebt und pranget
Der Äpfel goldne Last!

Jetzt auf den Baum gestiegen!
Lasst uns die Zweige biegen,
Dass Jeder pflücken kann!
Wie hoch die Äpfel hangen,
Wir holen sie mit Stangen
Und Haken all‘ heran.

Und ist das Werk vollendet,
So wird auch uns gespendet
Ein Lohn für unsern Fleiß.
Dann zieh’n wir fort und bringen
Die Äpfel heim und singen
Dem Herbste Lob und Preis.

Gedicht: © August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Er war Dichter, Bibliothekar und Professor. Den meisten Ruhm brachten ihm aber 
seine Volks- und Kinderlieder, wie „Alle Vögel sind schon da“, „Ein Männlein steht im Walde“,
„Summ, summ, summ“ oder „Der Kuckuck und der Esel“ ein.

18.

Abschied der Zugvögel

Wie war so schön doch Wald und Feld
wie traurig ist anjetzt die Welt
Hin ist die schöne Sommerzeit
und nach der Freude kam das Leid

Wir wussten nichts von Ungemach,
Wir saßen unterm Laubesdach,
Vergnügt und froh im Sonnenschein
Und sangen in die Welt hinein.

Wir armen Vöglein trauern sehr,
Wir haben keine Heimat mehr,
Wir müssen jetzt von hinnen fliehn
Und in die weite Fremde ziehn.

Gedicht: © August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) war auch Germanist und Dichter.
Er schrieb die spätere deutsche Nationalhymne – das Lied der Deutschen – sowie zahlreiche populäre
Kinderlieder. Zur Unterscheidung von anderen Trägern des häufigen Familiennamens Hoffmann 
nahm er als Zusatz den Herkunftsnamen „von Fallersleben“ an.

19.

Herbst Gedicht

Zu Golde ward die Welt;
zu lange traf
der Sonne süßer Strahl
das Blatt, den Zweig.
Nun neig
dich, Welt, hinab.

Bald sinkt’s von droben dir
in flockigen Geweben
verschleiernd zu
und bringt dir Ruh,
o Welt,
o dir, zu Gold geliebtes Leben. 
Ruh.

Gedicht: © Christian Morgenstern (1871-1914) war ein deutscher Dichter,
Literat, Dramaturg, Journalist und Übersetzer. Bekannt wurde er vor
allem durch seine oft groteske, humorvolle Lyrik.

20.

Sonniger Herbsttag

Abschiedshauch durchweht die Lüfte,
Letzte Farben, letzte Düfte,
Und ein letzter holder Klang.
Wo sind jene schönen Tage,
Da aus jedem Blüthenhage
Tönte Nachtigallensang?

Zwar noch blüht die letzte Rose,
Doch die bleiche Herbstzeitlose
Schimmert schon im Wiesengrün;
Sie verschlief das beste Wetter
Und nun kommt sie ohne Blätter
Sich beizeit noch auszublüh`n.

Träumerisch in sich versunken
Und wie von Erinnrung trunken
Liegt die Welt so blau und weit,
Sehnsuchtsvoll, mit sanfter Klage,
Still gedenkend goldner Tage.

Gedicht: © Heinrich Seidel (1842-1906) war Sohn eines Pfarrers, ein deutscher Ingenieur (studierte Maschinenbau) und Schriftsteller. Sein berühmter Spruch „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör“ war sein Motto und wurde die erste Zeile seines Ingenieurlieds von 1871.

21.

Fülle

Genug ist nicht genug! Gepriesen werde
Der Herbst! Kein Ast, der seiner Frucht entbehrte!
Tief beugt sich mancher allzu reich beschwerte,
Der Apfel fällt mit dumpfem Laut zu Erde.

Genug ist nicht genug! Es lacht im Laube!
Der saft`ge Pfirsisch winkt dem durst`gen Munde!
Die trunk`nen Wespen summen in die Runde:
„Genug ist nicht genug!“ um eine Traube.

Genug ist nicht genug! Mit vollen Zügen
Schlürft Dichtergeist am Borne des Genusses,
Das Herz, auch es bedarf des Überflusses,
Genug kann nie und nimmermehr genügen!

Gedicht: © Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898) war ein Schweizer Dichter des Realismus, der (insbesondere historische) Novellen, Romane und Lyrik geschaffen hat.

22.

Nebeltag

Nun weicht er nicht mehr von der Erde,
Der graue Nebel, unbewegt;
Er deckt das Feld und deckt die Herde,
Den Wald und was im Wald sich regt.

Er fällt des Nachts in schweren Tropfen
Durchs welke Laub von Baum zu Baum,
Als wollten Elfengeister klopfen
Den Sommer wach aus seinem Traum.

Der aber schläft, von kühlen Schauern
Tief eingehüllt, im Totenkleid.
O welch ein stilles, sanftes Trauern
Beschleicht das Herz in dieser Zeit!

Im Grund der Seele winkt es leise,
Und vom dahingeschwundnen Glück
Beschwört in ihrem Zauberkreise
Erinnrung uns den Traum zurück.

Gedicht: © Hermann von Lingg (1820-1905) war ein deutscher Dichter und Arzt. Als Lyriker und Epiker schrieb er zahlreiche Balladen, Dramen und Erzählungen.

23.

Herbst

Astern blühen schon im Garten,
Schwächer trifft der Sonnenpfeil. 
Blumen, die den Tod erwarten 
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Heide, 
Blätter zittern durch die Luft. 
Und es liegen Wald und Weide 
Unbewegt in blauem Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht. 
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer, 
Welke Rosen, reife Frucht.

Gedicht: © Detlev von Liliencron (1844-1909): Er hieß eigentlich Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron
und war ein deutscher Lyriker, Prosa- und Bühnenautor.

24.

Der Herbst

Viele Drachen stehen in dem Winde,
Tanzend in der weiten Lüfte Reich.
Kinder stehn im Feld in dünnen Kleidern,
Sommersprossig und mit Stirnen bleich.

In dem Meer der goldnen Stoppeln segeln
Kleine Schiffe, weiß und leicht erbaut,
Und in Träumen seiner leichten Weite
Sinkt der Himmel wolkenüberblaut.

Weit gerückt in unbewegter Ruhe
Steht der Wald wie eine rote Stadt.
Und des Herbstes goldne Flaggen hängen
Von den höchsten Türmen schwer und matt.

Gedicht: © Georg Heym (1887-1912) war ein deutscher Schriftsteller.
Er gilt als einer der wichtigsten Lyriker des frühen literarischen Expressionismus.

25.

Schöner Herbst

Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Die Luft ist klar und kalt und windig,
weiß Gott: ein Vormittag, so find ich,
wie man ihn oft erleben mag.

Das ist ein sündhaft blauer Tag!
Jetzt schlägt das Meer mit voller Welle
gewiß an eben diese Stelle,
wo dunnemals der Kurgast lag.

Ich hocke in der großen Stadt:
und siehe, durchs Mansardenfenster
bedräuen mich die Luftgespenster
Und ich bin müde, satt und matt.

Dumpf stöhnend lieg ich auf dem Bett.
Am Strand wär es im Herbst viel schöner
Ein Stimmungsbild, zwei Fölljetöner
und eine alte Operett!

Wenn ich nun aber nicht mehr mag!
Schon kratzt die Feder auf dem Bogen,
das Geld hat manches schon verbogen …
Das ist ein sündhaft blauer Tag!

Gedicht: © Kurt Tucholsky (1890-1935) war ein berühmter Autor und Journalist aus dem 20. Jahrhundert.
Auch als Literatur- und Theaterkritiker der Zeitschrift „Die Schaubühne“ (ab 1918 „Die Weltbühne“) machte er sich einen Namen. Im „Simplicissimus“ erschienen damals zahlreiche Beiträge von ihm. 

26.

Die gelben Blätter schaukeln

Die gelben Blätter schaukeln
Im Sonnenstrahl, dem fahlen,
Nicht Amoretten gaukeln
Wie Anno dazumalen.

In warmer Ofennähe,
Filzschuhe an den Füßen,
Erwart‘ ich still und spähe,
Was bald wird kommen müssen.

Doch will getrost ich wandern,
Und wird der Vorhang fallen,
So gönn‘ ich gerne andern,
Den Frühling neu zu malen.

Gedicht: © Carl Spitzweg (1808 -1885) wurde in München geboren. Er war ein bekannter deutscher Dichter, studierter Apotheker und auch Maler beschaulicher Idyllen und Zeichner der Spätromantik und des Biedermeiers. Der „arme Poet“: Carl Spitzwegs wohl berühmtestes Gemälde, von dem sogar mehrere Fassungen existieren, ist weltbekannt.  Heute zählt Carl Spitzweg zu den führenden deutschen Künstlern des 19. Jahrhunderts und zu den bekanntesten der Münchner Malerschule.

27.

Herbst

Der Herbst schert hurtig Berg und Tal
Mit kalter Schere ratzekahl.
Der Vogel reist nach warmer Ferne;
Wir alle folgtem ihm so gerne.

Das Laub ist gelb und welk geworden,
Grün blieb nur Fichte noch und Tann‘.
Huhu! Schon meldet sich im Norden
Der Winter mit dem Weihnachtsmann.

Gedicht: © Joachim Ringelnatz (1883-1934) hieß eigentlich Hans Bötticher. Er war ein deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler, der vor allem für humoristische Gedichte um die Kunstfigur Kuttel Daddeldu bekannt ist: »Auch die größten Vegetarier beißen nicht gerne ins Gras.« oder auch »Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.« sind bekannte Sprüche von ihm.

28.

In trauter Verborgenheit

Ade, ihr Sommertage,
Wie seid ihr so schnell enteilt,
Gar mancherlei Lust und Plage
Habt ihr uns zugeteilt.

Wohl war es ein Entzücken,
Zu wandeln im Sonnenschein.
Nur die verflixten Mücken
Mischten sich immer darein.

Und wenn wir auf Waldeswegen
Dem Sange der Vögel gelauscht,
Dann kam natürlich ein Regen
Auf uns herniedergerauscht.

Die lustigen Sänger haben
Nach Süden sich aufgemacht,
Bei Tage krächzen die Raben,
Die Käuze schreien bei Nacht.

Was ist das für Gesause!
Es stürmt bereits und schneit.
Da bleiben wir zwei zu Hause
In trauter Verborgenheit.

Kein Wetter kann uns verdrießen.
Mein Liebchen, ich und du,
Wir halten uns warm und schließen
Hübsch feste die Türen zu.

Gedicht: © Wilhelm Busch (1832-1908) war einer der einflussreichsten humoristischen
Dichter und Zeichner Deutschlands (z.B. Witwe Bolte im ersten Streich von Max und Moritz).

Zudem war er als – von niederländischen Meistern beeinflusster – Maler tätig.

29.

Vergänglichkeit

Vergänglich ist das festeste im Leben
Was trauerst du, dass Liebe auch vergeht?
Lass sie dahin in’s Reich der Zeiten schweben,
Leicht, wie des Lenzes Blütenhauch verweht.

Doch halte fest ihr Schattenbild im Herzen,
Und segne dennoch freudig Dein Geschick,
Schließt auch sich eine Reihe bittrer Schmerzen
An deines Glückes kurzen Augenblick.

Du hast gelebt, denn Liebe nur ist Leben!
Sie nur allein webt um den dunklen Traum,
Dem wir den Nahmen unsers Daseins geben,
Der höchsten Wonne glanzerfüllten Saum.

So zürne nicht des Schicksals finstern Mächten,
Wenn sie des Lebens Sonne dir entzieh`n.
Nicht ewig lässt sie sich in unsre Bahn verflechten,
Ach, sei zufrieden, dass sie einst dir schön schien.

Gedicht: © Charlotte von Ahlefeld (1781-1849) war eine deutsche Dichterin und Romanschriftstellerin, die zunächst in Norddeutschland und später ab 1821 in Weimar lebte. Sie gehört heute noch zu den bedeutenden Vertretern der deutschen Frauenliteratur zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

30.

Gefunden

Ich ging im Walde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn. Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön. Ich wollt es brechen,
Da sagt es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein? Ich grub’s mit allen
Den Würzlein aus.
Zum Garten trug ich’s
Am hübschen Haus. Und pflanzt es wieder
Am stillen Ort;
Nun zweigt es immer
Und blüht so fort.

Gedicht: © Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) zählt bis heute zu den bedeutendsten und einflussreichsten Dichtern der deutschen Literaturgeschichte. Er ist einer der wichtigsten Vertreter der „Sturm und Drang“ Zeit. Gleichermaßen prägte er zusammen mit Friedrich Schiller damals die Weimarer Klassik.

Der Herbst
Oktoberwinde strichen sacht – buntgewirktes Laub vom Baum.
Kaum man sich umsieht mit Bedacht, wird daraus schon ein Wintertraum…
Autor unbekannt.


Wehmut? Melancholie?…Eher nein…


Mit den Herbst-Gedichten hier im Blog-Artikel
findet man eine Lobeshymne auf all die
schönsten Gaben des goldenen Herbstes!

  • Die Melancholie der schwindenden Blüte in der Natur weckt zwar bei manchem etwas Wehmut und liebgewordene Erinnerungen an vergangene schöne Sommertage…
  • Doch der Herbst trägt seine eigene Schönheit nun bereits in diesen späten Monaten voll entfaltet – und so finden sich hier – dreißig an der Zahl – Herbst-Gedichte bekannter und unbekannter Dichter, die dazu einladen, den goldenen Herbst von der schönsten Seite her zu betrachten…
  • Geprägt von warmen Farben, bunten Blättern und klarer Luft stimmen uns die Gedichte und Verse von z.B. Eduard Mörike oder Rainer Maria Rilke und anderen… auf diese kurze, herbstliche Jahreszeit ein… untermalt mit den schönsten herbstlichen Bild-Impressionen
  • Aber der Herbst kann auch recht kühl und stürmisch und windig sein, so dass sogar die Blätter anfangen zu tanzen. Und wie nett – der Herbst lädt uns somit zum Herbstball ein und pfeifend bringt er dazu noch seine eigene brausende Musik mit… Hui buuuhhh… in diesem Fall einen kräftig brausenden Wind... wie schön ist es dann – gemütlich zuhause – evtl. an einem flackernden, warmen Kamin-Ofen – zu sitzen…

Im Jahr 2024 werden die Uhren wie immer an zwei Terminen umgestellt, einmal im März und einmal im Oktober. Am 30. März 2024: Umstellung auf Sommerzeit und am 27. Oktober 2024: Umstellung auf die offizielle Winterzeit.


Der Herbst geht nun zu Ende –
der Winter steht vor der Tür…

Und schon neigt sich das Jahr bereits wieder dem Ende zu. Während sich einige auf die für sie schönste Jahreszeit freuen, zählen andere wiederum die Tage, bis der Winter wieder vorbei ist.

  • Wir Menschen neigen oft dazu, uns über jedes Wetter zu beklagen. Im Sommer ist es vielen einfach zu warm, den Winter mit seinen „usselig“ kalten Tagen erfreuen manche Menschen auch nicht so sehr.
  • Dennoch liebt ein jeder die späten – noch wärmenden – herbstlichen Sonnentage, die uns mit ihrem sanftem und freundlich-mildem Licht erfreuen.
  • Umso schwerer ist es, Jahr für Jahr, sich von der schönen, oft noch warmen spätsommerlichen Jahreszeit zu verabschieden...

Anm.: Grau, kalt und nass – das Wetter im Herbst/Winter ist oft „usselig“. Das Wort eignet sich jedoch nicht nur hervorragend für Schlechtwetter, sondern auch in manchen Gegenden – um die eigene Unzufriedenheit über ganz verschiedene Dinge auszudrücken. Das Wort „usselig“  – eben trüb und ungemütlich (Wetter) – findet sich bis heute in der Umgangssprache in vielen Regionen – wie z.B. dem Ruhrgebiet (Nordrhein-Westfalen) wieder.

Doch bevor uns der Herbst nun ganz verlässt, gibt es doch noch ein schönes Kinderfest…
zu St. Martin zieh’n die Kinder aus – und wandern singend sie von Haus zu Haus… 

Und was ist denn am 11.11. um 11 Uhr 11…? Nach alter Tradition werden hier am 11.11. die Narren “geweckt” mit Helau und Alaaf…Ab diesem Tag bereiten sich fröhlich die Narren auf die Karnevals- bzw. Faschingszeit vor und es wird vor allem schon einmal ausgelassen gefeiert. 

Der Herbst geht nun zu Ende…Der Winter mit seinen schönen Festen und Feiertagen steht bereits vor der Türe. Darüber wird im folgenden Blog-Artikel: “ Der Winter – die unterschätzte Jahreszeit “ ausführlich berichtet.


Der kommende Winter
– die vierte Jahreszeit –

hat ebenfalls seine wundervollen Geschichten
und interessanten und guten Seiten.
Bei Interesse ist die facettenreiche
Geschichte der Winterszeit nachzulesen
in meinem anderen Blog-Artikel
(hier zum Anklicken) unter dem Thema:

https://bienchenhamster.de/winter-die-unterschaetzte-jahreszeit/

Spannendes, Neues, alte schöne Traditionen, längst in Vergessenheit Geratenes
und viel Interessantes zum Staunen – findet man hier in meinem anderen Winter-Blog-Artikel.


„Am Grunde des Herzens eines jeden Winters liegt ein Frühlingsahnen,
und hinter dem Schleier jeder Nacht verbirgt sich ein lächelnder Morgen.“
© Khalil Gibran (1883-1931)
Er war ein libanesisch-US-amerikanischer Dichter und Philosoph.


(https://beruhmte-zitate.de/zitate/1978068-khalil-gibran-am-grunde-des-herzens-eines-jeden-winters-liegt-ei/ )


Die feine Kombination von Gedanken und Bildern ist nicht einfach…
Ich finde, Worte und Bilder kommunizieren gemeinsam einfach viel stärker.
Manch` bekannte oder unbekannte Gedichte unserer
Schriftsteller/-Innen umrahmen daher diesen Herbst-Blog.


Anm.: Alle Daten z.B. zu den einzelnen Autoren sind Wikipedia entnommen.

WICHTIGES COPYRIGHT: Die schönsten Gedichte aus den vergangenen Jahren (nach 1953 bis heute) darf ich leider hier (noch) nicht veröffentlichen… das Urheberrecht bestimmt es so… URHEBERRECHT: Der größte Teil der hier veröffentlichten Gedichte, Zitate usw. in meinem Blog-Artikel sind – von Dichtern und Autoren, die bereits seit siebzig Jahren (1953) verstorben sind – für den privaten Gebrauch hier verfügbar. Alle Gedichte sind hier im Blog mit © Copyright und Namen versehen.

Blogartikel verfasst am 22. Oktober 2022 
(bearbeitet am 18. November 2023)
(Bilder/Fotos von Pixabay/Pexels/Unsplash et al.)


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